Beitrag vom 4. Februar 2025 – 23:04 Uhr
Dieser Artikel gibt nur eine Einführung über Augen, Leben und Tod.
Das Brettspiel "Go" ist, wie das Älterwerden: Nichts für Feiglinge. (Quelle)
Klagefall & Texas-Jim & Hulot
Dieser Artikel gibt nur eine Einführung über Augen, Leben und Tod.
Das Brettspiel "Go" ist, wie das Älterwerden: Nichts für Feiglinge. (Quelle)
Strahlende Dunkelheit. Ich starre in die Mitternacht. Quer über den Hinterhof springen Schreie zu mir herüber und landen auf dem Balkon. Die letzte Krähe des Tages (oder war es ein Rabe?) landet auf dem Komposthaufen gegenüber, den ein Nachbar aus alten Latten selbst zusammengenagelt hat.
Was wird morgen sein? fragt mich der Vogel. Keine Ahnung, antworte ich ihm, schulterzuckendleise, denn die Nachbarn schlafen schon, woher sollte ich es auch wissen?
Aber Du musst es wissen, alles musst Du wissen, es ist deine Aufgabe, alles zu wissen, zu kontrollieren, Herrscher der Welt, Richter aller Menschen, Retter unserer Zeit. Deine Hand greift und steuert, was dein Verstand ersinnt und schafft. Also wat is nu?
Der Komposthaufen ist, nebenbei bemerkt, als solches Schrott. Man kann Pflanzenreste nur von oben auflegen, aber keine Erde von unten herausnehmen. Die Katzen des Hinterhofs nutzen ihn dank- aber nur scheinbar als Lokus. Eigentlich ist es ihr social network. Das weiß der Nachbar aber nicht, weshalb er wichtige Informationen überschreibt, wenn er heimlich seinen Pisspott über dem Haufen ausgießt. Seine einfache Rechnung: Hobbykeller. Alkoholiker. Wohnung im Dachgeschoss. Der Rest ist die Physik der Bequemlichkeit. Und oben drauf thront feixend nun ein nachtschwarzer Vogel, der mich in ein Gespräch verwickeln will. So Tage halt.
Bevor ich der Krähe (oder dem Raben?) ein weiteres Mal versichern kann, dass ich nichts über nichts weiß, gesellt sich ein Fuchs zu uns. Er stellt sich als Reginald Plantachinett der Dritte vor, schwingt sein dreifaches Räuspern wie ein Dirigent einen Taktstock, blickt, die Spannung ins Unendliche steigernd, zu mir, grüßend nickend auf den Kompost, wieder zu mir und fragt: Gute Frage. Aber: Was war gestern? Was gab es da?
Das ist leicht! Keinen Grund, über heute nachzudenken und schon gar nicht über morgen! will ich auflösen, als die Schreie in gurrende Lust und dem Quietschen eines eskalierenden Bettgestells abschmelzen. Reginald wendet kurz seinen Blick ab. Fast sieht es so aus, als verdrehe er die Augen über das schlechte Timing, mit dem sich die Menschen aneinander vergehen, während er eine bereits zum Tode verurteilte philosophische Diskussion auf ein neues Niveau heben will.
Nun?
Füchse können einem ziemlich garstig bis in die Seele schauen, stelle ich fest. Vielleicht ist es auch nur dieser eine, aber er hat es wirklich drauf. Blöderweise habe ich nun aber vergessen, was mir vor einem Augenblick brillant erschien. Aus meinem Mund klingt es wie „Örmmäh", also im Wesentlichen ganz genau so wie der Versuch, einen schweren Schrank über morsches Parkett zu schieben. Ich glaube, er ist ein bisschen dumm, flüstert die Krähe (lege mich fest!), was denken Sie, Reggie?
Ich kann sie übrigens hören! rufe ich den beiden zu. Halt die Fresse, ich muss um Dreie auf Schicht! ermahnt es von einer Ecke des Hofes. Der Fuchs zieht verächtlich eine Braue nach oben und empfiehlt sich. Der Vogel lacht mich mitleidig aus, hebt ab, und wird ebenfalls ganz und gar Finsternis.
Vielleicht geht es darum, dankbar zu sein? brummt der Kühlschrank, als ich wieder reinkomme. Der Hof ist nun still, nachdem eine Frau ihren Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, Ronny!, dazu gebracht hat, nicht aufzuhören, bis sie soweit war, von selbst aufhören zu wollen.
Dankbar? Wofür?
Nicht wissen zu können, was kommt? Ich will mir gar nicht ausmalen, was das bedeutet. Man würde ja nie etwas beginnen. Denn wenn man weiß, dass etwas gelingt, könnte man sogleich damit aufhören, denn es steht schon als getan fest.
Die Leute würden sowieso nur nach den Lottozahlen schauen. Oder Bundesliga.
Oh ja. Bundesliga. Nach was würden Sie denn schauen?
Danach, wie dieser Text ausgeht.
Hm. Das wäre in der Tat spannend zu wissen. Aber was weiß ich schon?
Für einen Kühlschrank ist er manchmal schon recht clever. Aber das sage ich ihm lieber erst einmal noch nicht. Wer weiß, was morgen dann mit ihm wäre.
Der Therapeut sagt, dass er mit meinen Fortschritten sehr glücklich ist, dass es toll sei, dass ich weniger von externer Anerkennung abhängig bin, was mich freut, naturgemäß. Zwei Bier und (eventuell) zu viel Black LabeI später merke ich: Division by zero. Im Hintergrund verrät Johnny Lee Hooker den Blues an die Neunziger, aber das geht in Ordnung.
Nebenbei fliegt meine jüngste Kollegin aus ihrer Bude und mein Tablet arbeitet, beim Versuch sie zu trösten, wie Sisyphos, um meine Worte vom Schreibstift in Druckschrift zu transformieren.
Scrapper Blackwell meint: Nobody knows you when you down and out. Okay. Dann bleiben wir eben im Spiel. Ihr spielt Foul? Dann wartet auf die dritte Halbzeit. Wir scheißen euch zu, dass ihr ausseht wie Bimbo nach der Wurmkur, wenn wir mit euch fertig sind. Ihr habt die Kohle. Wir die Feuerzeuge. Ihr habt Besitz. Wir keine Skrupel. Ist das eine Drohung? Nein. Das ist Ostdeutschland, Baby. Klassenkampf macht Beulen. Hard Time killin' floor Blues. Mal sehen, wie der Markt reagiert.
Lightnin' Hopkins bittet um seine Shotgun. Wer bin ich, dass ich mich streite? Findet der Therapeut bestimmt auch prima.
Man kann nichts über Politik sagen oder schreiben, so lange es sie nicht gibt.
Nach dem Fall kommt der Aufschlag. Immer. Kälte und Einsamkeit würzen mein Fleisch. Stiller Lärm der Welt, dumpf, belanglos, alles durchdringend, nicht zu mir gehörend, denn ich bin ausgestoßen, schallt zu mir herab. An diesem Ort gibt es weder Liebe noch Angst, nur Finsternis. Kein Empfinden. Für nichts. In dieser Welt ist man niemals Gast, doch stets willkommen. Böse Geister leben dort, achtmilliardengesichtig, und sie müssen fressen, täglich, reichlich. Verwirrung wird zu Zweifel, wird zu Unbehagen, wird zu Schmerz. Bleibe ich liegen, werde ich zum Genuss ihrer Gier. Also krame ich in meinen Erinnerungen nach dem einen, nein: irgend einem Grund, wieder aufzustehen.
Blind taste ich nach einer Lösung. Oder wenigstens einer Erklärung. Welchen Zweck das alles noch hat. Ob sich alles irgendwann wieder beruhigt, da ein Weg zurück nach oben ist und sich der Aufstieg überhaupt lohnt.
Sind wir wirklich so weit gekommen? Es gibt künstliche Intelligenz und menschliche Dummheit; Platz für alle und Kämpfe Jeder gegen Jeden; beste Absichten und die Unfähigkeit, Fehler zu vergeben. Die Kapelle unserer persönlichen Titanic spielt auf. Wir tanzen Schritte vor, zurück, zur Seite, kommen nicht voran. Langsam werden die Füße nass.
Aber es gibt da auch diesen einen Pub in England. Sechs Tage lang waren 29 sich einander wildfremde Menschen dort eingeschneit. Sie saßen fest und kamen dennoch miteinander aus. Das Unwetter brach unerwartet über sie herein, aber sie hatten alles, was man braucht, inklusive des Willens, sich eine gute Zeit zu machen.
Ich will daran glauben, dass ich das auch kann und bin fest davon überzeugt: es beginnt mit mir selbst. Ganz gleich, wie verkorkst die Welt und ihre Menschen auch sein mögen — wenn ich wenigstens versuche, es besser zu machen, wird es wenigstens nicht schlechter. Was zwingt mich denn dazu, alles und jeden zu hassen, abzuwerten, einzuschätzen, zu kommentieren? Mich für oder gegen eine »Sache« zu positionieren, die nicht den Menschen, sondern Ideen dient, für die man eben diesen oder jenen Verlust (Leben, Territorien, Wohlstand usf.) akzeptieren muss?
Also werde ich mein eigener Pub. Kommen Sie rein, nehmen Sie Platz, hier dürfen Sie alle Zweifel in den Kamin stopfen. Klopfen Sie einfach an, wenn geschlossen scheint, manchmal klemmt die Türe ein wenig. Machen Sie die Beine lang und wärmen Sie Ihren Optimismus wieder auf. Vielleicht ist das nicht die Lösung Ihres Problems. Aber es ist gut, dass er da ist, dieser Ort, den man immer bei sich trägt und den die bösen Geister nicht betreten. Hören Sie das? Die Jukebox spielt Ihr Lied! Auf der Karte steht heute Ihr Leibgericht! Und es sind zufällig genau so viele Stühle an Ihrem Tisch frei, wie sie Lieblingsmenschen haben!
Ich hole mir noch ein Glas. Für Sie auch?
(Man muss kein depressiver Mensch sein, um sich Anfang 2025 nicht ganz so schlecht zu fühlen. Aber es hilft.)
Täter, Opfer
Seite, Schmarotzer
Clique, Hinterhalt
drohen.
Märtyrer, Gewalt
Drohung, Feind
Häme, Idee
vereint.
Spaltung, Führer
Anhänger, Mitläufer
Terror, Folgen
folgen.
Streit, Wahrheit
Taktik, Kritik
Heimat, Hetze
fanatisch.
Unterwanderung, Maulkorb
Korrektheit, Mainstream
Wut, Mut
massiv.
Widerstand, Regime
Tabu, Verbot
Recht, Gesetz
zerstören.
Gleichschaltung, Vernichtung
Alternative, Alternativlosigkeit
Brandstifter, Urteil
sogenannt.
Unmut, Populismus
Geschmeiß, Volk
Boden, Heimat
zersetzen.
Macht, Lumpenpack
Mehrheit, Minderheit
Nation, Kultur
infiltrieren.
Aggression, Verteidigung
Unterdrückung, Freiheit
Strenge, Regeln,
entlarven.
Zusammenrottung, Haufen
Gott, Herr
Werte, Herrschende
wir.
Staatsfeind, Volksfeind
Feindmedien, Feindbild
Verhältnisse, Maßnahmen
man.
Teufel, Ausplünderung
Politikwanze, Gutmensch
Bewegung, Krawallmacher
die.
Mission, Radikale
Attacke, Mitkämpfer
Verteidigung, Sicherheit
extrem.
Gegenmaßnahmen, Truppe
Machenschaften, Anstand
Grenze, False-Flag
entschlossen.
Bewegung, Streit
Verblendung, Verdummung
Verteufelung, Gemäßigte
scheinheilig.
Büttel, Bedrohung
Etablierte, Verräter
Hass, Vasallen
fremd.
Patriot, Untertan
Verrohung, Untergrund
Strategie, Hölle
eigen.
Diktatur, Obere
Untere, Militanz
Chaos, Deutschland
like.
Mehr miteinander reden
Als sich etwas ein
Weniger zanken
Mehr streiten
Mehr Worte, lautere Töne
Weniger plappern und
Still sein
Doch
Weniger Angst haben
Mehr Mut sein
Mehr nach
Als sich vor
Denken lassen
Weniger nehmen
Sich noch weniger nehmen
Lassen
Mehr Innen
Mehr hier
Mehr Ruhe
Mehr Sturm
Mehr Außen
Mehr morgen
Mehr von allem
Weniger von Nichts
2015.
(Geschrieben zum Jahreswechsel 2014)
Schon eine Woche vorher stand ein großes Schild unübersehbar mitten im Eingang der Muckibude:
Am Sonnabend findet zwischen 9 und 14 Uhr kein reguläres Training statt. Stattdessen treffen wir uns, um die Halle aufzuräumen und zu putzen. Wir hoffen auf rege Beteiligung. Anschließend Weihnachtsfeier.
Keine Chance, da nicht aufzutauchen, dachte ich und fuhr am Vormittag hin. Es waren 50 Leute da, es gab nicht genug Eimer und für warmes Wasser musste man 50 Cent in den Boiler in der Dusche werfen. Ich putzte sehr gründlich mein Ergometer, das kaputte Fahrrad daneben, die Beinpresse und noch zwei Maschinen, deren Namen ich nicht genau weiß. Es gibt wenige Dinge, die so befriedigend sind, wie eine Maschine auf Hochglanz zu bringen, auf deren Querstreben noch nie ein Mensch Staub gewischt hat. Vor allem, wenn um dich herum dasselbe passiert.
Am Sonntag beim Training sagten manche, dass die ganze Halle anders riecht, aber ich weiß nicht, ob das stimmt.