Beitrag vom 19. Februar 2023 – 0:00 Uhr
Friedfertigkeit: vor allem als der Wunsch, in Frieden gelassen zu werden.
Marko Martin schreibt über den Frieden im Osten.
Klagefall & Texas-Jim & Hulot
Friedfertigkeit: vor allem als der Wunsch, in Frieden gelassen zu werden.
Marko Martin schreibt über den Frieden im Osten.
Die Perfektion nicht mehr verfolgen, weil sie mir über den Kopf wächst. Und trotzdem die Schönheit anstreben, die ich mit Aufwand und Augenmerk durch kleine Arbeiten herstellen kann. Scheitern, aber schön. Und wenn ich das so schreibe, meine ich fast, das mit dem Leben irgendwie zu können. Doch allein mein kistenumsäumter Arbeitsplatz straft mich Lügen. Dann schaue ich eben aus dem Fenster. Dort ist Schönheit ohne Perfektion.
# Als ich am Morgen meine Beine aus dem Bett zerrte, wollte ich Hans Hartz hören. Und die Segnungen der Technik, bei denen ich ständig zwischen stoischer Ablehnung und heller Begeisterung schwanke, machen es möglich, daß ich diese große, in den Bass gerauchte Stimme schon wenige Minuten später unter der Dusche hören kann. Sie wird unterbrochen von einer seltsamen Werbestimme, die mich immer wieder auffordert, ihr zuzuhören, damit sie mir etwas erklären kann, was sie dann doch nicht erklärt. Aber die Segnungen der Technik sind immer auch Flüche des Ertragens und des Kümmerns. Ich steige nicht naß aus der Dusche, um einen Knopf zu drücken, sondern schäume stattdessen die allzu lang gewordenen Haare ein, bis das Wasser auch zur Kopfhaut durchdringen kann. Ein Fuchs wäre neidisch auf mein wasserdichtes Kleid, während ich mir ein dickes Fell eher an anderer Stelle wünschen würde. Vielleicht zu viele Narben dort, wer weiß. Ich höre weiter Hans Hartz zu und frage mich, wie er zu seiner Zeit positioniert war. Protestsänger, Schlagersänger, Chansonneur? Ich kann es tatsächlich aus Musik und Text allein nicht herleiten, und die Zeit ist lang vergangen. Vielleicht, so denke ich, mal die Eltern danach fragen. Kunst und Kontext und Zeitgenossenschaft. Ich könnte stundenlang drüber nachdenken, wenn nicht das Wasser allzu schnell kalt werden würde.
# Dafür fiel mir ein, wie ich einfach herausfinden kann, ob unsere Fußbodenheizung mit "Normally open" oder "Normally closed" Ventilen ausgestattet ist: Den Strom abschalten und schauen, ob auch die kalten Räume plötzlich warmes Wasser zugeführt bekommen. Ich habe einfach keine Lust mehr, stundenlang kryptischen Bezeichnungen hinterherzusuchen. Das Internet ist allzusehr voller Müll geworden. Ich merke gar, daß mein Mißtrauen gegen alles dort Geschriebene und vor allem gegen alles Angepriesene immer stärker wird - wie zu Beginn des Internets traue ich mich immer weniger, etwas per Online-Versandhandel zu kaufen. Allzuoft schon stand ich mit nutzlosem, schlechten Plastik in den Händen da. Trotzdem lese ich die Verkaufsargumente der Verkäufer gerne: das "Ours vs. Theirs" ist geradezu lachhaft verzweifelt und vielleicht deshalb ein guter Einstieg in die Gedankenwelt, den gesuchten Gegenstand nicht zu benötigen.
# Ich schaue mir Bilder und Videos an und finde doch den Fasching nicht mehr in mir. Schreibe stattdessen versonnen auf, daß ich Milch besorgen muß.
# "Wie ein Streichholz in der Nacht", höre ich im Lied von den Steinen. Ich kenne die Texte natürlich, ich bin ein ganz passabler Auswendiglerner, ebenso wie ich ein miserabler Sänger bin. Ich könnte Souffleur bei einer Coverband werden, aber diese Jobs scheinen doch recht rar zu sein. Wie ein Streichholz in der Nacht, ist das nicht wunderschön? Das einzig kleine Licht in der Dunkelheit, die Selbstaufgabe des Brennens und Leuchtens, während man selbst nach kurzer Zeit erlischt und zu Asche zerfällt, und doch vielleicht die Fähigkeit hat, ein größeres, ein großes Feuer zu entzünden? Es ist fast ein christliches Bild, denke ich, aber Streichhölzer gab es zur Zeit der christlichen Bilder wohl noch nicht. Wie ein Streichholz in der Nacht zu sein ist mir ein tröstliches Bild, auch wenn ich jeden verstehen kann, dem es ein trauriges ist. Besser als Dunkelheit. Und besser, als ungenutzt zu bleiben. Wir müssen unser Leben verbrauchen und verleben, uns verbrennen, um zu leuchten, es bleibt uns ja sonst nichts. Wie ein Streichholz in der Nacht. Ich kann mich kaum satthören an diesem Satz.
Sehnsucht nach Schnee, der die Stadt zudeckt und ihr fahles Grau zu einem entschlossenen Irgendwiedunkel krönt. Und die Langeweile unseres Lebens bis zum nächsten Tauwetter gutmütig in ein schallgedämpftes »Ach komm, lass, reden wir nicht drüber« verpackt und in die Ecke stellt.
Wo waren Sie, als Hans Modrow starb? Ich saß in meiner Küche, sah via YouTube alte Werbespots der Neunziger, trank österreichischen Rotwein und aß eine Orange, die, ihrem Geschmack zufolge, nicht aus Kuba stammte. Schätze, die DDR hat endgültig verloren.
Anscheinend gab es hier in den letzten Wochen Probleme mit dem RSS-Feed, weil unser Webspace-Anbieter ein PHP-Update durchgeführt hat. Eventuell habe ich das jetzt repariert. Wenn Sie gerade nicht wissen, was RSS ist – nicht schlimm – brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Bei allen anderen sollten nun bald wieder die Meldungen eintreffen.
Dankewarallessoweit.
Ich hatte mit Twitter schon aufgehört, bevor alle zu Mastodon weitergezogen sind und jetzt kenne ich da und dort niemanden. Immerhin, ich wüsste jetzt, wie ich dort mitlesen kann.
Baby, wenn es wirklich dunkle Materie geben sollte, dann in uns.
»Und draußen pfeifen die Ratten unser Lied« im Chez Libralop.
Ein letztes Mal stehe ich nun also hier am offenen Fenster, mit der Kaffeetasse in der Hand, und schaue zu, wie die Alb, meine große, schweigsame Geliebte, aus der Dämmerung entsteigt und sich wohlig in den Nebel hüllt. Es ist Zeit, sage ich zu mir selbst, und vielleicht auch ein bisschen zu meiner Alb, es ist nun Zeit für einen großen Schritt, für einen nächsten und noch viele weitere, die mich über die Alb führen werden, meiner Berufung und meinem Lebensziel entgegen. Und wie die Alb selbst verbirgt sich beides noch im Nebel, ist selten in ganzer Größe zu erkennen. Und doch muss ich voranschreiten, den nächsten Schritt wagen, um wie den geliebten Felsenkalk mein Ziel zu ertasten, den nächsten Halt zu finden, der mich tragen wird auf meinem Weg. Über die Alb, übers Leben, mit Hoffnung und mit der Ruhe dieses kleinen Tales, mit der Güte der aufgehenden Sonne und mit der jauchzenden Freude, auf meinen Gipfeln zu stehen.