Mikrobi

Klagefall & Texas-Jim & Hulot

Die letzten Gedanken des letzten Menschen

Auf der Erde liegend, presse ich meine Wange gegen den Boden. Wann habe ich mich das letzte Mal so hingegeben? Ich wusste es nicht.

Kälte durchzieht meine Kleider, aber das war in Ordnung. Was auf meiner Haut ankam, war nur scheinbar Frost. Kein Grund zur Sorge. Wollte sie mich erfrieren lassen, hätte sie es schon längst getan.

Wenn man nur stark genug hinhöre, sagten einige, könne man das Weinen des Planeten vernehmen. Ich gebe mir Mühe. Aber was ich höre, oder zu hören glaube, ist ein Kichern, und was ich spüre, oder zu spüren wünsche, sind meine Tränen.

In der Schule lernte ich etwas über das „abzählbar Unendliche“. Dieser unerschütterliche Optimismus war Liebe auf den ersten Blick. Verstanden habe ich ihn nie. Aber standhaft mit der schieren Unendlichkeit konfrontiert, beneidete ich ihn sogar. Sie war um so vieles größer als er. Dennoch griff er sie beherzt an. Man musste ja nur anfangen. Eins, Zwei, Drei und so fort. Sicher, es war nur ein Begriff, aber er stand für unseren Anspruch, den Plan dahinter verstehen zu wollen. Wir besaßen so viel mehr als nur Dinge.

Die Wissenschaft durchmaß das ganze Universum, suchte nach einem Vorsprung, fand aber bloß Formeln und Fragen. Es war ein bescheidenes Brot, das dort gegessen wurde. Aber sie machte weiter, ohne zu wissen, warum oder wohin. Jede Sekunde Vorlauf war entscheidend: für das Experiment, die Welt, ihre Geschichte, die Menschheit, mich.

Unermessliche Hitze schabt über uns alle hinweg. Wir wussten, dass sie kommen würde. Als einzige.

Was fehlte, war das Wissen um uns selbst. Religion wollten wir nicht, da wir uns nicht vertrauten. Philosophie konnten wir nicht, aus dem selben Grund. Alles andere ließ sich nicht messen oder in Tabellen eintragen. Für die Liebe waren wir zu dumm. Eitelkeit war ein gern gesehener Gast. Angst übermannte schließlich alle. Jeder hoffte im selben Maß auf die Unsterblichkeit, wie er sie fürchtete.

Aus. Ein. Das Einzige, was den Planeten jetzt noch antreibt, ist mein Atem. Aus. Ende.

Auch ich war einmal verliebt. Aber das verbrennt nun mit dem Rest der Welt. Und so bleibt mein letzter Gedanke einfach stehen. Die Vergangenheit war Asche geworden, die Gegenwart so nicht zu akzeptieren und die Zukunft hatte keine Zukunft mehr.

Wenn für immer niemand mehr da wäre, um es zu hören: Würde das Meer auch dann noch Rauschen?