Mikrobi

Klagefall & Texas-Jim & Hulot

Bildende Kunst

Meine aktuellen Semesterendprokrastinationsschübe erreichen ein neues Niveau: Heute habe ich mit meinem Sohn mal eben die Küche renoviert. Da klingelt es.

Vor der Tür: Ein Leipziger Jungschriftsteller, der nur ein paar Straßen weiter wohnt. Erwartungsvoll schaut er durch seine rahmenlose Brille. Farbe habe er gerochen, da wollte er nur mal schnell schauen, was so geht. Gegenüber öffnet sich die neugierige Wohnungstür, denn der Typ spricht so laut, dass man glauben könnte, er kämpft für die Zeugen Jehovas ums Himmelreich.

Ich lasse ihn herein. Kaum in der Wohnung fällt er sofort auf die Knie und robbt vor der trocknenden Wand auf und ab. Ob ich an der hiesigen Kunsthochschule gewesen sei? Nur mal auf dem Klo, damals, als mir der Bus vor der Nase weggefahren ist. Flächig sei es, so kraftvoll und konsequent in der Pinselführung; dazu kühn in der Positionierung, vom Malgrund ganz zu schweigen. Und immer wieder: flächig.

Ich bedanke mich artig.

In der Zwischenzeit malert Junior mit seiner kleinen Rolle weiter. Auf das Kreppband, das die Oberkante markiert. Und darüber hinaus.

– Guck mal Papa, ein Trompetenhuhn!

Immer noch auf den Knien fragt er mich, was ich dafür haben wolle. Als ich ihm sage, dass ich weder Handwerker noch Altruist bin, er also seine Küche mal schön selber streichen soll, korrigiert er mich.

– Ich meine die Wand.

– Die ganze?

– Die ganze.

Ich versuche ihm klarzumachen, dass diese nicht verkäuflich ist …

– Ja und?

… da sie der Wohnungsbaugesellschaft gehört …

– Ja und?

… die sicher nicht begeistert sein wird, wenn neben dem Balkon noch ein zehn Quadratmeter großer Ausguck zum Hinterhof klafft.

– Ja und?

Es misslingt mir. Eines ist klar: Der wird erst wieder verschwinden, wenn ich ihm ein neues Teil für seine Sammlung überlasse, über das er dann in seiner Kolumne für die Ganz-dolle-Kluge-Menschen-Zeitung schreiben kann.

– Guck mal Papa, ein Hundmann mit Hut!

Junior zeigt auf den Kühlschrank. Von seiner Rolle tropft es noch. Im Gesicht: Wandfarbe und Künstlerstolz. Plötzlich scheucht der Kater die Katze über Tische und Bänke. Beide fauchen durch eine der vielen Farbpfützen und hinterlassen Tatzenabdrücke an Stellen in der Küche, die ich in diesem Leben nicht mehr sauber bekomme. Werde langsam sauer. Gleich kommt die Frau Liebste heim und wird mich in einer völlig versauten Küche mit einem völlig tätowierten Typen antreffen. Passiert das, ist unsere Küche heute Abend in den Nachrichten und es wird wie ein Unfall aussehen.

Ich schnappe mir den Kater, wische seine Pfoten auf einem Bummi-Heft ab, reiße dazu noch etwas Kreppband von der Wand, wickle das Ganze zusammen mit einer Familienpackung Wut in ein Stück Abdeckplane, signiere schwunghaft mit FICKSAU, schmeiße den Gast aus der Wohnung und ihm sein neues Kunstwerk an den Kopp.

– Guck mal Papa, ein Flugzeug voller Wurst!

Der Herd.

Erschöpfung.

Die Klausur kann mich mal.