Beitrag vom 12. Januar 2025 – 18:42 Uhr
Nach dem Fall kommt der Aufschlag. Immer. Kälte und Einsamkeit würzen mein Fleisch. Stiller Lärm der Welt, dumpf, belanglos, alles durchdringend, nicht zu mir gehörend, denn ich bin ausgestoßen, schallt zu mir herab. An diesem Ort gibt es weder Liebe noch Angst, nur Finsternis. Kein Empfinden. Für nichts. In dieser Welt ist man niemals Gast, doch stets willkommen. Böse Geister leben dort, achtmilliardengesichtig, und sie müssen fressen, täglich, reichlich. Verwirrung wird zu Zweifel, wird zu Unbehagen, wird zu Schmerz. Bleibe ich liegen, werde ich zum Genuss ihrer Gier. Also krame ich in meinen Erinnerungen nach dem einen, nein: irgend einem Grund, wieder aufzustehen.
Blind taste ich nach einer Lösung. Oder wenigstens einer Erklärung. Welchen Zweck das alles noch hat. Ob sich alles irgendwann wieder beruhigt, da ein Weg zurück nach oben ist und sich der Aufstieg überhaupt lohnt.
Sind wir wirklich so weit gekommen? Es gibt künstliche Intelligenz und menschliche Dummheit; Platz für alle und Kämpfe Jeder gegen Jeden; beste Absichten und die Unfähigkeit, Fehler zu vergeben. Die Kapelle unserer persönlichen Titanic spielt auf. Wir tanzen Schritte vor, zurück, zur Seite, kommen nicht voran. Langsam werden die Füße nass.
Aber es gibt da auch diesen einen Pub in England. Sechs Tage lang waren 29 sich einander wildfremde Menschen dort eingeschneit. Sie saßen fest und kamen dennoch miteinander aus. Das Unwetter brach unerwartet über sie herein, aber sie hatten alles, was man braucht, inklusive des Willens, sich eine gute Zeit zu machen.
Ich will daran glauben, dass ich das auch kann und bin fest davon überzeugt: es beginnt mit mir selbst. Ganz gleich, wie verkorkst die Welt und ihre Menschen auch sein mögen — wenn ich wenigstens versuche, es besser zu machen, wird es wenigstens nicht schlechter. Was zwingt mich denn dazu, alles und jeden zu hassen, abzuwerten, einzuschätzen, zu kommentieren? Mich für oder gegen eine »Sache« zu positionieren, die nicht den Menschen, sondern Ideen dient, für die man eben diesen oder jenen Verlust (Leben, Territorien, Wohlstand usf.) akzeptieren muss?
Also werde ich mein eigener Pub. Kommen Sie rein, nehmen Sie Platz, hier dürfen Sie alle Zweifel in den Kamin stopfen. Klopfen Sie einfach an, wenn geschlossen scheint, manchmal klemmt die Türe ein wenig. Machen Sie die Beine lang und wärmen Sie Ihren Optimismus wieder auf. Vielleicht ist das nicht die Lösung Ihres Problems. Aber es ist gut, dass er da ist, dieser Ort, den man immer bei sich trägt und den die bösen Geister nicht betreten. Hören Sie das? Die Jukebox spielt Ihr Lied! Auf der Karte steht heute Ihr Leibgericht! Und es sind zufällig genau so viele Stühle an Ihrem Tisch frei, wie sie Lieblingsmenschen haben!
Ich hole mir noch ein Glas. Für Sie auch?
(Man muss kein depressiver Mensch sein, um sich Anfang 2025 nicht ganz so schlecht zu fühlen. Aber es hilft.)