Beitrag vom 16. Februar 2023 – 8:15 Uhr
Die Perfektion nicht mehr verfolgen, weil sie mir über den Kopf wächst. Und trotzdem die Schönheit anstreben, die ich mit Aufwand und Augenmerk durch kleine Arbeiten herstellen kann. Scheitern, aber schön. Und wenn ich das so schreibe, meine ich fast, das mit dem Leben irgendwie zu können. Doch allein mein kistenumsäumter Arbeitsplatz straft mich Lügen. Dann schaue ich eben aus dem Fenster. Dort ist Schönheit ohne Perfektion.
# Als ich am Morgen meine Beine aus dem Bett zerrte, wollte ich Hans Hartz hören. Und die Segnungen der Technik, bei denen ich ständig zwischen stoischer Ablehnung und heller Begeisterung schwanke, machen es möglich, daß ich diese große, in den Bass gerauchte Stimme schon wenige Minuten später unter der Dusche hören kann. Sie wird unterbrochen von einer seltsamen Werbestimme, die mich immer wieder auffordert, ihr zuzuhören, damit sie mir etwas erklären kann, was sie dann doch nicht erklärt. Aber die Segnungen der Technik sind immer auch Flüche des Ertragens und des Kümmerns. Ich steige nicht naß aus der Dusche, um einen Knopf zu drücken, sondern schäume stattdessen die allzu lang gewordenen Haare ein, bis das Wasser auch zur Kopfhaut durchdringen kann. Ein Fuchs wäre neidisch auf mein wasserdichtes Kleid, während ich mir ein dickes Fell eher an anderer Stelle wünschen würde. Vielleicht zu viele Narben dort, wer weiß. Ich höre weiter Hans Hartz zu und frage mich, wie er zu seiner Zeit positioniert war. Protestsänger, Schlagersänger, Chansonneur? Ich kann es tatsächlich aus Musik und Text allein nicht herleiten, und die Zeit ist lang vergangen. Vielleicht, so denke ich, mal die Eltern danach fragen. Kunst und Kontext und Zeitgenossenschaft. Ich könnte stundenlang drüber nachdenken, wenn nicht das Wasser allzu schnell kalt werden würde.
# Dafür fiel mir ein, wie ich einfach herausfinden kann, ob unsere Fußbodenheizung mit "Normally open" oder "Normally closed" Ventilen ausgestattet ist: Den Strom abschalten und schauen, ob auch die kalten Räume plötzlich warmes Wasser zugeführt bekommen. Ich habe einfach keine Lust mehr, stundenlang kryptischen Bezeichnungen hinterherzusuchen. Das Internet ist allzusehr voller Müll geworden. Ich merke gar, daß mein Mißtrauen gegen alles dort Geschriebene und vor allem gegen alles Angepriesene immer stärker wird - wie zu Beginn des Internets traue ich mich immer weniger, etwas per Online-Versandhandel zu kaufen. Allzuoft schon stand ich mit nutzlosem, schlechten Plastik in den Händen da. Trotzdem lese ich die Verkaufsargumente der Verkäufer gerne: das "Ours vs. Theirs" ist geradezu lachhaft verzweifelt und vielleicht deshalb ein guter Einstieg in die Gedankenwelt, den gesuchten Gegenstand nicht zu benötigen.
# Ich schaue mir Bilder und Videos an und finde doch den Fasching nicht mehr in mir. Schreibe stattdessen versonnen auf, daß ich Milch besorgen muß.
# "Wie ein Streichholz in der Nacht", höre ich im Lied von den Steinen. Ich kenne die Texte natürlich, ich bin ein ganz passabler Auswendiglerner, ebenso wie ich ein miserabler Sänger bin. Ich könnte Souffleur bei einer Coverband werden, aber diese Jobs scheinen doch recht rar zu sein. Wie ein Streichholz in der Nacht, ist das nicht wunderschön? Das einzig kleine Licht in der Dunkelheit, die Selbstaufgabe des Brennens und Leuchtens, während man selbst nach kurzer Zeit erlischt und zu Asche zerfällt, und doch vielleicht die Fähigkeit hat, ein größeres, ein großes Feuer zu entzünden? Es ist fast ein christliches Bild, denke ich, aber Streichhölzer gab es zur Zeit der christlichen Bilder wohl noch nicht. Wie ein Streichholz in der Nacht zu sein ist mir ein tröstliches Bild, auch wenn ich jeden verstehen kann, dem es ein trauriges ist. Besser als Dunkelheit. Und besser, als ungenutzt zu bleiben. Wir müssen unser Leben verbrauchen und verleben, uns verbrennen, um zu leuchten, es bleibt uns ja sonst nichts. Wie ein Streichholz in der Nacht. Ich kann mich kaum satthören an diesem Satz.